die parteiunabhängige initiative für eine stärkung direkter demokratie

Democracy International

Erwin Mayer: Stellungnahme beim Expertenhearing vom 3. Juli 2012

Erwin Mayer: Stellungnahme beim Expertenhearing vom 3. Juli 2012

25.08.2012

Eingangsstatement

 

Wir werden heute sehr viele Fragen für und wider Indirekte oder Repräsentative Demokratie und sehr viele Fragen und Argumente zur Direkten Demokratie hören. All das ist für mich, der ich das schon 15 Jahre lang beobachte, immer sehr interessant. Aber ich frage mich ständig: An wen sind denn diese Argumente überhaupt gerichtet? Wollen sich da politische Parteien untereinander überzeugen? Wollen sie die Öffentlichkeit überzeugen? An wen ist das gerichtet?

Wenn das an den Souverän gerichtet ist, an den Wähler, an die Wählerin, an die Bürger, an die Bürgerin, dann müssen letztendlich sie entscheiden können, denn sonst macht die ganze Argumentation, das Überzeugen für das eine Modell oder gegen ein anderes gar keinen Sinn.

Das heißt, die zentrale Kelsen‘sche Frage: Wer ist ermächtigt? – und das ist immer die entscheidende Frage – beantworten wir so, dass nur der Souverän ermächtigt ist, und zwar nicht nur darüber, ob Direkte Demokratie kommen soll, sondern auch über das Wie zu entscheiden.

Und was heißt das wiederum sehr konkret? – Bei der unvermeidlichen Volksabstimmung, laut Bundesverfassung bei einer Totaländerung der Bundesverfassung, die ja schon von vielen Parteien ins Spiel gebracht ist und eventuell mit der nächsten Nationalratswahl terminlich angesetzt wird, kann es nicht sein, dass es nur einen Parteienkompromiss gibt, sondern da muss es einen zweiten Vorschlag aus dem Volk – über Details, wie der generiert werden soll, kann ich später auf Anfrage reden – geben, über den abgestimmt wird.

Warum ist das notwendig? – Dann kann die Bevölkerung sagen, wir haben die Meinung zur notwendigen Unterschriftenanzahl X oder wir haben eine andere Meinung. Wir haben eine Meinung, braucht es Beteiligungs- oder Zustimmungsquoren – ja oder nein? Soll der letzte Text, über den abgestimmt wird, im Parlament formuliert werden, oder soll ein Initiativenvorschlag eins zu eins sozusagen abgestimmt werden. Das sind alles die entscheidenden Fragen.

Und wenn es um Direkte Demokratie geht, dann kann man doch nicht sagen, sollte es in Zukunft bei der Änderung von Gesetzen, von Verfassungsbestimmungen ein Initiativrecht geben, sollte man auch entscheiden können, aber jetzt, ein letztes Mal, entscheiden wir noch indirekt-demokratisch, wie das Paket für euch auszusehen hat. Das könnte nämlich dann dazu führen, dass die Bevölkerung vor einer Lose-lose-Situation steht. Denn entweder sagt sie zu einem Paket, das nicht handhabbar ist, das nicht bürgerInnengerecht ist, ein Ja – dann hat die Bevölkerung alle schlechten Bestimmungen, zum Beispiel hohe Beteiligungsquoren und dergleichen, mitgeschluckt und man kann argumentieren: Ihr habt dazu Ja gesagt – oder die Bevölkerung lehnt dieses Paket bei der Volksabstimmung ab. Dann wird man argumentieren: Jetzt reden wir jahrelang über Direkte Demokratie und ihr sagt Nein; also offensichtlich wollt ihr gar keine Direkte Demokratie!

Es muss also die Möglichkeit geben, über die richtige Form der Direkten Demokratie zu entscheiden. Und was richtig und falsch ist, kann nur das Volk selbst entscheiden.

Warum sage ich das? Es gibt hier Referenzbeispiele. Man darf kein totes Recht von Beginn an schaffen, und das ist möglich. Ich bringe das Beispiel von Nordrhein-Westfalen. Dort gibt es das dreistufige Volksgesetzgebungsmodell, so wie es uns vom Prinzip her vorschwebt, aber so schlecht ausgestaltet und mit so hohen Hürden, dass es über zehn Jahre lang einfach nicht verwendet wurde. Es hat über zehn Jahre lang keine Volksabstimmung gegeben. – Jetzt ist man gerade dabei, das zu verbessern.

Ein anderes Beispiel aus dem österreichischen Recht. Wir haben immer wieder argumentiert, die Opposition sollte eine Volksabstimmung nach Artikel 44 Abs. 3 B-VG ansetzen. Die Opposition hat mit einem Drittel des Nationalrates das Recht. Ich bin zu allen Parteien gegangen. – Keiner hat diese Bestimmung gekannt. Das war schon einmal verwunderlich. Aber dann nach der zweiten Nachfrage war es dann doch wieder nicht so verwunderlich. Es ist totes Recht. Das steht seit 1918, 1919 in der Bundesverfassung. Es ist eines der stärksten Oppositionsrechte, eine Volksabstimmung ansetzen zu können, wurde nie gebraucht und hat daher keine Relevanz.

Jedenfalls: Wir wollen nicht, dass Direkte Demokratie erneut eine Bestimmung in der Verfassung wird, die ähnlich irrelevant ist.

meinen wir nun zur konkreten Ausgestaltung? Und da bin ich sehr schnell. Es gibt hier wieder einen Grundsatz: Alles, was von Parlament oder Regierungen initiiert oder/und entschieden werden kann, muss auch vom Volk initiiert und entschieden werden können. Das heißt übersetzt: Bei allen rechtlichen Rahmenbedingungen, die wir uns überlegen – und hier sollten wir uns welche überlegen, es geht um bindendes Völkerrecht, dies ist schon gesagt worden, es geht um Menschenrechte et cetera –, können wir relativ enge Grenzen setzen. Aber wir meinen, welche Grenze man hier auch immer setzt, sie muss dem gesamten Gesetzgebungsprozess verfassungssystematisch vorangestellt sein. Es geht nicht, dass man jetzt neue Erfindungen macht und bei der Direkten Demokratie Grenzen setzen will, wo man meint, dass bei Parlamentsinitiativen oder Regierungsinitiativen das nicht notwendig wäre. Also allein verfassungssystematisch sollten diese Schranken vor jeglichem Gesetzgebungsprozess in Österreich angesiedelt und kein Spezifikum für Direkte Demokratie sein.

Was für ein Modell schwebt uns vor? – Uns schwebt bewusst ein Modell mit niedrigen Hürden vor. Warum? – Alles, was heute noch an Argumenten für höhere Hürden kommen wird, kann ja die Bevölkerung selbst jederzeit initiieren und auch beschließen. In der Schweiz und in 24 US-Bundesstaaten wurden immer wieder auch Initiativen und Referenden zur Ausgestaltung der Direkten Demokratie selbst abgehalten, immer wieder, sodass über die Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte eine Direkte Demokratie entstanden ist, wie sie die Bevölkerung selbst haben will. Wenn die Bevölkerung aber keine Möglichkeit bekommt, einmal den Fuß in die Türe zu setzen, dann wären niedrige Hürden notwendig, sonst hat sie nie die Möglichkeit, selbst die Direkte Demokratie auszugestalten.

Daher meinen wir, das sollte dreistufig sein.

Die erste Stufe sind 10 000 Unterschriften, mit denen man bereits das Parlament befassen kann. Das muss kein ausgearbeiteter Gesetzestext sein. Da sollten die Kompromissvarianten mit dem Parlament ausverhandelt werden. Und dann kann sich die Initiative überlegen: Geht das in die Richtung, wie uns das vorgeschwebt ist, oder geht das in eine andere Richtung? Die Initiative kann dann entscheiden: Gehen wir zur zweiten Stufe!

Die zweite Stufe bedeutet, mit 100 000 Unterschriften – das muss dann ein ausgearbeiteter Gesetzestext sein – kommt man wieder zum Parlament, und das Parlament kann sagen, ja, wir übernehmen diesen Gesetzestext 1 :1 – da kann es keine Debatten mehr über den Text geben, das war in der ersten Stufe –, oder das Parlament kann einen Gegenvorschlag platzieren, der dann zur Volksabstimmung kommt. Entweder sagt die Initiative: Das geht ohnehin in unsere Richtung, der Gegenvorschlag des Parlaments passt uns! – oder die Initiative beharrt auf der Volksabstimmung. Dann muss es diese Volksabstimmung geben. Bei dieser Volksabstimmung entscheidet die einfache Mehrheit, und es gibt definitiv keine Beteiligungs- oder Zustimmungsquoren, denn diese senken die Repräsentativität und erhöhen sie nicht. – Genaueres gerne auf Anfrage.

Ich bringe nur zwei österreichische Beispiele und Verweise. Bei der Volksabstimmung zu Zwentendorf und bei der Volksabstimmung zur EU-Verfassung hat es keine Beteiligungs- und Zustimmungsquoren gegeben. Hätten zehn Österreicher abgestimmt über Zwentendorf und sechs ja gesagt, hätten wir heute Atom-Energie. Das heißt, wenn eine Volksabstimmung von „oben“, vom Parlament angesetzt wird, gibt es keine Debatte über Quoren. Kaum kommt man auf die Idee, dass das Volk von „unten“ etwas initiieren kann, gibt es eine neue Debatte über Beteiligungs- und Zustimmungsquoren!

Als Letztes noch: Es braucht auch ein fakultatives Referendum – in Österreich sagen wir oft „Veto-Referendum“ dazu –, das extrem niedrige Hürden haben muss; 25 000 für Verfassungsbestimmungen, 50 000 für einfache Gesetze, innerhalb von drei Monaten gesammelt.

Warum ist das wichtig, dass es niedrige Hürden gibt? – Damit ist es a) möglich, dass das Parlament jederzeit von Volksentscheiden entschiedene Gesetze überstimmen kann – dann hat die Bevölkerung immer die Möglichkeit, mit dem fakultativen Referendum zu kommen –, und es braucht dann b) keine obligatorischen Verfassungsreferenden, wie das viele Staaten, auch die Schweiz, kennen, weil die Bevölkerung ohnedies die Möglichkeit hat, über Verfassungsbestimmungen dann, wenn sie es für notwendig hält, eine Volksabstimmung abzuhalten.

 

Statement nach der Fragenrunde

 

Ich bin mehrfach direkt namentlich angesprochen worden und einige Male indirekt, weil Punkte berührt wurden, die in meiner Präsentation waren. Ich fange von hinten an und gehe so schnell wie möglich durch.

Wenn die Rede ist davon, die Mehrheit stimmt über die Minderheit ab, ist auch wieder einmal begrifflich zu unterscheiden: Von welcher Minderheit reden wir? Reden von religiösen, rassischen, was weiß ich, von Geburt an bedingten Merkmalen? Da sind wir uns, glaube ich, alle einig, dass es hier einen besonderen Schutz gibt, und da gibt es auch zwingende völkerrechtliche Vorgaben, unter anderem durch den Staatsvertrag. Ich erinnere nur an die Ortstafeln und anderes. Und da hat die Indirekte Demokratie auch 50, 60 Jahre gebraucht, bis das erfüllt wurde. Aber das ist hier eindeutig zu schützen.

Etwas anderes ist – und da muss man schon aufpassen, dass man das nicht vermengt –, wenn die Minderheit der Mehrheit in einer Abstimmung unterliegt. Das ist das Normalste in einer Demokratie, und das passiert bei einer Volksabstimmung genauso wie im Parlament. Und da kann es natürlich keinen besonderen Schutz geben.

Das Zweite, was jetzt gekommen ist, ist die Finanzierung, die Chancengleichheit, oder wie wir es nennen: die Fairness Direkter Demokratie zur Indirekten Demokratie. Da haben Sie vollkommen recht, dass das bisher den Parteien gedient hat. Das liegt auch an der finanziellen Kraft der Parteien, Stichwort Parteienfinanzierungsgesetz und Verdoppelung der Mittel. Und es liegt sozusagen an der geringeren finanziellen Kraft und damit auch Zugang zu Medien für kleinere Initiativen, die nicht großen Organisationen, Sozialpartnern etc. angehören.
Der Schluss des Ganzen kann für mich aber nur sein: Man muss diese kleinen Initiativen stärken. Man muss sie finanziell auch aufwerten. Hier muss es natürlich einen Kostenrückerstattungsmechanismus geben, der strengstens zu kontrollieren ist.

Ich sage gleich dazu: Es gibt hier auch abschreckende Beispiele, wie in Kalifornien, wo einige Abstimmungsinstitute, Kampagneninstitute, Geld damit verdienen und Millionäre werden bei Volksabstimmungen.

Das soll es in Österreich nicht geben. Das kalifornische Beispiel ist diesbezüglich schlecht, aber nichtsdestotrotz brauchen wir, wir bringen es auf einen Punkt, ein Demokratiefinanzierungsgesetz – und kein Parteienfinanzierungsgesetz.

Im Demokratiefinanzierungsgesetz sollte geregelt werden, wie viel Geld die Indirekte Demokratie bekommt, sprich das Parlament, die Parteien, und wie viel die Direkte Demokratie Initiativen und Kostenrückerstattung bekommt. Aber das sollte in einem Gesetz passieren, dass wir hier auch gleiche Standards, gleiche Kontrollen und, wie der Herr Cap gesagt hat, auch gleiche Transparenzvorschriften haben. Weil da ist natürlich genauso wichtig zu wissen: Steckt der Herr Androsch, der Herr Mateschitz oder sonst wer hinter einem Begehren dahinter?

Hier muss der gleiche Anspruch gelten, das, war ich am Anfang gesagt habe, für die Direkte wie für die Indirekte Demokratie.
Jetzt zur Quoren-Frage. – Es wurde auch angeführt, dass die bisherigen Partien das eben stark genutzt haben, das bisherige Direkte-Demokratie-Recht. Aber dann ist es doch genauso. Je höher Sie die Quoren ansetzen, desto mehr halten Sie es für ein Instrument von Parteien für Parteien. Denn von diesen acht Begehren, die diese Grenze von 656 000 überschritten haben, hat es nur Fussi mit seinem Abfangjäger-Volksbegehren, wo jetzt, sage ich, nicht so viele finanzielle Mittel dahintergestanden sind, als Einziger geschafft, diese Grenze zu durchbrechen. Sonst war es immer Geld oder/und Partei. Wenn Sie hohe Quoren ansetzen, dann machen Sie das exklusiv für Parteien. Wenn Sie die Quoren absenken, dann ermöglichen Sie es tendenziell auch kleineren, parteiunabhängigen Initiativen.

Dann hat es – Gott sei Dank, es ist mir nämlich schon abgegangen in der ganzen Diskussion – einer der Vorredner, nämlich Prof. Baumgartner, als Erster angeführt: die Unterscheidung zwischen Befolgung von bestehendem Recht und Normsetzung. Ich bin ein Kelsen-Fan – und daher: Es macht einen großen Unterschied, ob man von Normbefolgung oder von Normsetzung spricht. Und da sind auch die Grenzen zu ziehen bei den Rechten für die Direkte Demokratie.

Ein praktisches Beispiel: Sie können keinen Volksabstimmung ansetzen, ob der Lissabon-Vertrag in Österreich befolgt werden, umgesetzt werden soll oder nicht. Im Stufenbau der Rechtsordnung können Sie nie unten sozusagen sagen, ob eine obere Norm erfüllt werden soll oder nicht.

Aber natürlich, sobald es sich um Rechtssetzung handelt, aktuell, Fiskalpakt, ESM etc., und im Parlament etwas beschlossen wird, sprich ratifiziert wird, muss es die gleichen Rechte auch für die Bevölkerung geben, und ich muss über eine Initiative auslösen können, dass ich diese Ratifikation im Parlament beeinflusse.

Also diese pauschale Frage: Können wir über EU abstimmen oder nicht?, ist völlig undifferenziert und passt überhaupt nicht. Bestehendes Recht und Völkerrecht muss eingehalten werden. Normsetzung ist der Bevölkerung genauso zugänglich wie der Indirekten Demokratie.
Dann ist sozusagen die erhöhte Bestandskraft, Korrekturmöglichkeit angesprochen worden. Da habe ich schon gesagt: Ja, es muss alles korrigiert werden können. Sowohl das Volk muss einen Beschluss des Parlamentes und umgekehrt korrigieren können. Aber dazu ist es notwendig, und da ist leider heute sehr wenig gekommen, dass es ein Veto oder fakultatives Referendum gibt. Wenn es das gibt, dann können Sie sozusagen jede Norm jederzeit von jeder Seite sozusagen auch wieder ändern.

Wenn es das nicht gibt, besteht natürlich die Gefahr, dass wir beim Status quo bleiben, weil das Parlament macht jedes Mal einen Beharrungsbeschluss. Dann nennen wir das Ganze Volksabstimmung, aber de facto haben wir jetzt ein Volksbegehrensrecht ohne Folgen. Das kann es sozusagen nicht sein.

Verfassungsgerichtshof vorab oder danach? Und was die Frage angeht, ob die Quoren sozusagen die Repräsentativität senken und warum, ist schon angedeutet worden. Es kommt zu dieser destruktiven Obstruktionspolitik; so nennt man das. Das heißt, es wird eben aufgerufen, nicht hinzugehen, sich von der Abstimmung fernzuhalten. Italien ist ein Beispiel. In Deutschland gibt es ja auf Bundesländerebene sehr viel Direkte Demokratie. Stuttgart kennen Sie. Dort hat es auch ein Quorum gegeben. Nordrhein-Westfalen habe ich schon eingebracht.

Das heißt, es führt dazu, dass relativ wenig hingehen, weil eine Seite aufruft, nicht hinzugehen, aber natürlich sind die, die hingehen, die überwiegende Mehrheit. Das meine ich. Sie haben dann 70, 80, 90 Prozent für einen bestimmten Vorschlag, aber der ist so was von unterrepräsentativ, weil die anderen gleich zu Hause geblieben sind. Das meine ich mit reduzierte Repräsentativität; das erhöht sie nicht.

Was ist der Unterschied zwischen Schweiz und Österreich?, haben Sie gefragt. Da gibt es eine Menge Punkte, und wir wollten auch nicht alles eins zu eins von der Schweiz übernehmen. Ich habe mir ein paar Punkte aufgeschrieben.

Der erste Punkt ist, wir haben 8,4 Millionen Einwohner, die Schweiz hat 8,1 Millionen Einwohner. Warum sage ich das? – Weil es natürlich dann einen Anhaltspunkt gibt, welche Quoren man ansetzt. In der Schweiz kann man ab 100.000 Unterschriften eine Initiative zum Verfassungsreferendum – das hat Herr Cap schon richtig bemerkt – bringen, aber mit 50.000 ein Veto oder, wie sie es in der Schweiz nennen, fakultatives Referendum.

Das Zweite ist: In der Schweiz ist es ein zweistufiges Verfahren. Es gibt nur Initiative, Volksabstimmung. Uns und den meisten Parteien schwebt vor, dass es ein dreistufiges Verfahren sein soll. Warum? – Weil genau dann die Involvierung des Parlaments in der ersten Stufe viel leichter ist und diese notwendige Kompromissbildung erleichtert wird.

In der zweiten Stufe ist die Kompromissbildung schwieriger, weil dann ist der ausgearbeitete Gesetzestext da. Wenn grundsätzlich kommt, dass Direkte Demokratie bedeutet: ja – nein, und Indirekte Demokratie bedeutet, dass man Kompromisse bildet, dann stimmt das nicht mit der Realität überein.

In der Schweiz müssen sie, wenn sie Initiativen starten, ständig Kompromisse finden. Das fängt schon an unter den Initiatoren. Sie dürfen doch nicht glauben, dass eine Initiative die Wahrheit sozusagen mit dem Löffel gefressen hat, sondern Sie müssen ein Bündnis mit fünf anderen NGOs eingehen, und da fängt schon die Kompromissbildung an.

Und in der Schweiz muss man sich im Gegensatz zu Österreich schon von Anfang an Gedanken machen: Hat das, was ich da einbringe, in der zweiten Stufe, nämlich der Volksabstimmung, die Chance, die Mehrheit zu finden? Das heißt, Sie können keinen extremistischen Vorschlag machen. Sie müssen sich mit allen Gegnern zusammensetzen. Wenn Sie eine Umweltinitiative ansetzen, müssen Sie sich mit der Industrie zusammensetzen, mit den Autofahrerverbänden, weil Sie müssen abchecken, was da an Gegenargumenten kommt und ob das mehrheitsfähig ist. Das heißt, die Einbindung und der Kompromiss ist dem Schweizer System immanent.

Und wenn Sie sagen, ja – nein soll ausgeschlossen werden: Im Parlament haben Sie eine ewige Kompromissfindung, und das ist gut und richtig so. Nur am Tag X im Plenum stehen Sie auf oder bleiben sitzen. Sie können nicht in einer Halbkniebeuge sagen: jein, sondern Sie müssen ja oder nein auch im Parlament sagen.

Das ist sozusagen auch kein Spezifikum der Direkten Demokratie. Das haben Sie genauso in der Indirekten Demokratie.

Wer ist das Volk? – Und das ist mein letzter Punkt, weil das ist von mir gekommen. – Woher der Vorschlag? Das ist eine sehr berechtigte Frage von Ihnen gewesen. Als wir das das erste Mal gemacht haben, sind wir das oft gefragt worden. Wir machen uns sehr viele Gedanken über die Repräsentativität. Wir stellen uns zum Beispiel vor, nach dem Vorbild von British Columbia, da gibt es so eine Citizen Assembly, so eine BürgerInnenversammlung, die ist repräsentativ ausgewählt, das heißt nach dem Zufallsprinzip: 14 000 angeschrieben, 1 000 haben sich gemeldet. Wer macht mit, und dann hat man geschaut

Ich möchte das kurz erklären, wenn Sie mich fragen: Repräsentativität, wie soll die hergestellt werden? Dann ist dort geschaut worden: Stadt – Land, alt – jung, vermögend – nicht vermögend, Bildungsstand, also wirklich ein repräsentatives Sample von 104 BürgerInnen ist ausgesucht worden, und die sind auf ein halbes Jahr eingeschult worden – weil Sie sagen: Information und Unterlagen –, und ein halben Jahr haben sie dann einen Vorschlag ausgearbeitet, und der ist dann zu einer Volksabstimmung neben einem Parlamentsvorschlag zur Wahlrechtsreform in British Columbia gekommen.

Zusätzlich könnte man das erweitern durch Liquid Democracy, dass Vorschläge sozusagen auch elektronisch zu diesen Citizen Assemblies eingebracht werden.

Da gibt es also mannigfache Erfahrung, wie ein partizipativer Prozess auszusehen hat, dass da nicht eine kleine Extremistengruppe irgendeinen Vorschlag macht, sondern dass das repräsentativ ist. Und das wollen wir gewährleisten. Wir wollen aber, dass das Parlament zu einem frühen Zeitpunkt sagt: Ja, so ein zweiter Vorschlag, repräsentativ von der Bevölkerung ausgearbeitet, soll zulässig sein bei dieser Volksabstimmung.

Dass das – hier sind die Verfassungsrechtler gefragt – natürlich schon eine Änderung der bestehenden Verfassung braucht, ist klar, denn derzeit können Sie nicht zwei Vorschläge zu Abstimmung bringen.

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